Gran Paradiso
Rifugio Vittorio Sella

Gran Paradiso

Der Gran Paradiso ist mit 4.063 m der höchste Berg Italiens. Korrekt muss es heißen: Der höchste Berg, der mit seiner Basis vollständig auf italienischem Boden liegt. Diesen Namen trägt aber auch der südlich von Aosta gelegene Nationalpark. Durch diesen Nationalpark, von Cogne nach Valgrisenche, führt die hier beschriebene Hüttentour. Beim Bergwandern im Gran Paradiso Nationalpark erscheint alles größer und gewaltiger, als bei den Hüttentouren, die ich bisher in den Alpen unternommen hatte. Beeindruckend sind die über 4.000 m hohen mit Gletschern bedeckten Berge, die reißenden Gebirgsbäche und zahlreichen Wasserfälle, gesäumt von üppigen Blumenwiesen.
Der Nationalpark Gran Paradiso liegt in den Grajischen Alpen (Westalpen) auf italienischem Staatsgebiet nahe der französischen und schweizer Grenzen. Es wird italienisch und französisch gesprochen.  Schon 1856 wurde zum Schutz des Alpensteinbocks ein königliches Jagdreservat angelegt, aus dem 1922 der Nationalpark hervorging. Aus dieser Zeit stammen die befestigten Jagdsteige, auf die man stellenweise trifft. Der Schutz der Tiere bewirkt, dass diese relativ furchtlos gegenüber Menschen sind und gut beobachtet werden können.
Bei der Anreise aus Deutschland kann man zwischen dem Großen St. Bernhard-Tunnel (ital. Traforo del Gran San Bernardo) und der Überquerung des Großen St. Bernhard Passes (ital. Colle del Gran San Bernardo) wählen. Der Pass bietet grandiose Ausblicke und ist mit seinen endlos wirkenden Serpentinen einfach beeindruckend. Die Tunnelvariante spart Zeit, aber kein Geld.
Ich war ich mit einigen Bergfreund*innen unterwegs mit der Bergschule Kleinwalsertal.

Wenn Du lieber schauen willst, dann geht es hier…

Gehzeit

Maximal 7h pro Tag Insgesamt 36 Stunden

Aufstieg

Maximal 1.200 m pro Tag Insg. ca. 5.450 Hm

Abstieg

Maximal 1.600 m pro Tag Insg. ca. 4.800 Hm

Schwierigkeit

Schwer

1.Tag: Cogne - Rifugio Vittorio Sella

Das malerische Städtchen Villeneuve mit dem „Basislager“ Hotel Valdotain bildet den Start- und Zielpunkt der Tour. Von dort geht es am  Vormittag per Kleinbus nach Cogne und zur Akklimatisierung am ersten Tag nur zum Rifugio Vittorio Sella (2.585 m). Sella war ein Alpinist und Bergfotograf, der im 19. Jh. qualitativ hochwertige Fotografien der Alpenwelt fertigte und zwar mit Platten in der Größe von 30 x 36 cm! Daran muss ich denken, wenn mir mein Fotoapparat bei den Wanderungen zu groß und zu schwer schien.
Im Nachbargebäude der Hütte stand ein kleiner Fernseher und dort feierten die Franzosen den Sieg über Kroatien bei der Fußball WM 2018.
Kleine Bergseen, in denen sich die schneebedeckten Gipfel spiegeln, die Sichtung erster Steinböcke in der Ferne und ein freier Blick auf die umliegenden Berge auf der Ostseite des Valnontey schaffen einen ersten Eindruck davon, was uns in den kommenden Tagen erwartet.

2. Tag: Rifugio Vittorio Sella - Eaux Rousse (Hostellerie Paradis)

Die erste „richtige“ Etappe führt uns zum Col Lauson in 3.296 m Höhe. Das nötigt Respekt ab. Wir befinden uns in ganz anderen Höhenlagen, als zum Beispiel im Allgäu oder den Dolomiten. Col Lauson ist eine Scharte, also die niedrigste Stelle zwischen zwei höher gelegenen Gipfeln. Zum Vergleich: Die steil aufragenden Spitzen der Drei Zinnen in den Dolomiten sind ebenfalls etwa 3.000 m hoch.
Auf dem Weg dort hinauf können wir Steinböcke aus nächster Nähe beobachten.
Beim Abstieg zum Dorf Eaux Rousses löst sich von meinen teuren Marken-Bergschuhen fast die komplette Laufsohle. Eine Katastrophe! Das hätte ich nach nur 4 oder 5 Jahren nicht erwartet, muss aber später erfahren, dass das „normal“ sei. Auch dann, wenn man die Schuhe nicht auf der Heizung oder in der prallen Sonne trocknet und nicht durch Benzinpfützen läuft.
Einziger Trost: Vom Hersteller wurden mir später diese Leder-Bergschuhe für ein Drittel des Neupreises neu besohlt.
Die Hostellerie Paradis bot ein einfaches Zimmer für 8 Personen im Hinterhof, aber eine bemerkenswert feines Restaurant.

3. Tag: Eaux Rousse - Pont

Wegen meinem Schuhproblem bekam ich von der folgenden Etappe Lago Djuoan – Passo Embracher – Pont nichts mit, denn ich fuhr mit dem Bus nach Villeneuve, um neue Schuhe zu kaufen. Zum Glück fand ich tatsächlich passende Bergschuhe in einem kleinen, versteckten, aber hervorragend sortierten Outdoorladen. Mit ausreichend Prosciutto (italienischer Schinken) und Rotwein für meine Wanderfreunde ausgestattet fuhr ich per Bus im gleichen Tal zurück zum Etappenziel nach Pont. Das Dorf am Talschluss besteht aus zwei alten Häusern, einem Campingplatz und unserem Hotel.
Die Tour unserer Gruppe hatte sich wegen zweier weggerissener Brücken schwierig gestaltet. Bei der letzten waren meine Freunde auf halsbrecherische Weise über den reißenden Gebirgsbach geklettert, um sich einen größeren Umweg zu ersparen. Insgesamt war diese Etappe sehr anstrengend. Rotwein und Speck waren nun sehr willkommen und es wurde ein gemütlicher Abend.

4. Tag: Pont - Rifugio Benevolo

Am Tag vier schlängelt sich der Weg parallel zu einem großen Wasserfall hinauf zur Hochebene Piano del Nivolet. Gleich zu Beginn dieses Hochtals begeistern uns wieder bunte Blumenwiesen und ein herrlicher Ausblick auf den Gipfel des Gran Paradiso und seine Nachbarberge. Auf den sumpfigen Wiesen wächst das seltene Wollgras. Angekommen am Rifugio Savoia wird es nach all der Einsamkeit unerwartet zivilisiert. Eine Asphaltstrasse führt herauf und endet hier. Der frühere Plan, eine weiterführende Verbindung mitten durch den Nationalpark nach Valsavarenche zu bauen wurde zum Glück aufgegeben.  Die Strasse hier in der Einsamkeit kam uns sehr zu Hilfe, denn eine Wanderin aus der Gruppe hatte sich leicht am Fuss verletzt. Ein freundlicher Autofahrer nahm sie mit nach Turin, von wo aus sie später mit dem Zug zurück nach Villeneuve gelangte. Die verbleibende Gruppe stieg weiter auf, am Lago Rosset vorbei über eine Geröllhochfläche zur Scharte Col Rosset (3.021 m). Der höchste Punkt des heutigen Tages ist erreicht. Nun wurde der verbleibende Tag immer kürzer und die noch zu bewältigende Strecke gefühlt immer länger. Zunächst geht es steil bergab. Am Ende erreichten wir, Wiesenhänge mit blühender Arnika querend, ermattet und halb verdurstet das Rifugio Benevolo (2.285 m). Im Gegensatz zu anderen Gebieten gibt es hier weniger Hütten und diese haben größeren Abstand voneinander. Die Hütte war überfüllt. Es gab keine Auswahl an Menüs, wie man das neuerdings schon gewohnt ist, sondern einen Schlag „Brei“ für jeden aus dem großen Topf. Nach der schweren Wanderung aber genau das Richtige.
Nach dieser Etappe schien uns einmal mehr, dass die Angabe zur Kondition in der Beschreibung der Wanderung gern von zwei auf drei Stiefel geändert werden könnte. Gefühlt waren die Tagesetappen anstrengender, als in den anderen Jahren gewohnt. Das wurde kompensiert durch die wunderbare Landschaft. Diese war eine meiner schönsten Touren, die ich je gelaufen bin.

5. Tag: Rifugio Benevolo - Rifugio Bezzi

Gleich nach dem Morgenkaffee (wann sonst) beginnt der Aufstieg zum Lago di Goletta. Die Berge ringsum sind nicht felsgrau, sondern erscheinen dunkel und schwarz. Der See leuchtet in Hellblau. Am Abfluss des Sees überqueren wir auf einer intakten Brücke den Bach und steigen auf der „Haute Route des Glacier“ zum Col Bassac Dere (3.082 m) auf. Den Aufstieg zum Becca La Traversiere (3.337m) und damit zur französischen Grenze schenken wir uns. Damals wussten wir nicht genau, welche Schwierigkeiten uns noch erwarteten und waren noch etwas geschafft vom gestrigen Tag. Heute bereue ich das, aber der gemütliche Nachmittag zusammen mit vielen Bergfreunden auf dem Rifugio Bezzi (2.284 m) ist mir in bester Erinnerung.
Auf dem Abstieg dorthin queren wir Schneefelder, geniessen den Anblick der mächtigen Gletscher und haben freien Blick direkt auf den Mont Blanc, den höchsten Berg Frankreichs.

6. Tag: Rifugio Bezzi - Valgrisenche

Der letzte Tag beginnt. Wir sind in bester Laune und nehmen Gruppenfotos zur Erinnerung auf. Eine vom Schmelzwasser weggerissene Brücke können wir leicht umgehen. Beim Abstieg kürzen wir die Strecke ab, da die fußkranke Wanderin sich im Rifugio Bezzi wieder zu uns gesellt hat. Wir geniessen einfach die Natur und die Stimmung. Die Höhenmeter und offizielle Streckenplanung sind uns nun egal. So kommen wir nicht, wie geplant, am Rifugio Chalet de l’Epee vorbei, sondern steigen zum Talschluss im Valgrisenche ab. Dort wartet ein Kleinbus auf uns, der uns zurück nach Villeneuve bringt.
Für das darauffolgende Jahr nehmen wir uns vor, eine weniger anstrengende Tour zu buchen.